Vorfahrt! Oder doch nicht?

Sie stehen mal wieder an der Kreuzung im innerstädtischen Bereich. Es fehlt eine die Vorfahrt regelnde Beschilderung. Was tun? Natürlich rechts-vor-links! Seit jeher haben sich mit dieser goldenen Regel sämtliche Verkehrssituationen an Einmündungen und Kreuzungen verlässlich regeln lassen. Was aber, wenn jetzt ein Verkehrsteilnehmer auf die Vorfahrt verzichtet und es  zu einem Unfall kommt?

 

Die goldene Regel hat ihre Tücken. Denn nicht immer kann der eigentlich Bevorrechtigte die Vorfahrt auch nutzen. Räumliche Begebenheiten oder fehlende Einsehbarkeit des Kreuzungsbereichs machen es oft notwendig, dass ein eigentlich bevorrechtigter Fahrzeugführer auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet. Ein Problem hat dann immer der, der auf der anderen Seite eigentlich warten müsste. Was soll er tun? Unter welchen Voraussetzungen darf er tatsächlich davon ausgehen, dass der andere auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet und ihm die Vorfahrt gewährt?

 

Ein scheinbar unlösbares Problem. Nicht aber für die Rechtsprechung. Zuletzte entschied das Oberlandesgericht Hamm in seinem Beschluss vom 23.11.2018 (Az.: 7 U 35/18) einen ähnlich gelagerten Fall, in dem eine Fahrradfahrerin eine verkehrsberuhigte Straße befuhr und dabei ihre Fahrt geradeaus über eine von rechts einmündende Straße hinweg fortsetzen wollte. Der Unfallgegner kam aus Sicht der Fahrradfahrerin von rechts und hielt im Kreuzungsbereich an, da er seinerseits ein von rechts kommendes Fahrzeug vorlassen musste. Als er wieder anfuhr, kam es zu dem Unfall. Die Fahrradfahrerin ging davon aus, der aus ihrer Sicht von rechts kommende verzichte auf sein Vorfahrtsrecht.

 

Wann aber liegt nun ein Vorfahrtsverzicht vor?  Das OLG Hamm stellte fest:

Von einem Vorfahrtsverzicht kann nur ausgegangen werden, wenn der Berechtigte seinen Verzichtswillen in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck bringt. Allein aus dem Umstand, dass der Berechtigte an der Kreuzung abstoppt, lasse sich nämlich kein eindeutiger Vorfahrtsverzicht ableiten. Bei „Irritationen“ müsse sich der Wartepflichtige eindeutig so verhalten, so wie es die allgemeine Vorfahrtsregelung von ihm verlange. Ein Verzicht kann daher nur angenommen werden, wenn dieser eindeutig angezeigt (Winken, Geste, etc.) wird. Bloßes Abstoppen reiche nicht aus.

 

Wir lernen: Rechts-vor-Links kennt auch Ausnahmen. Diese sind aber mit Vorsicht zu genießen!

 

Haben Sie Probleme rund um Ihr Fahrzeug? Wir helfen Ihnen gerne!